Forschung_Osteoarchäologie
Den "üblichen" Umgang mit der osteoarchäologischen Arbeiten beschreibt folgender Text von J. Boessneck. Wenngleich er sich eher aus der "Tierkundler-Sparte" dazu äußert, so können seine Worte durchaus - und leider - auch für viele humanosteologische Arbeiten gelten. Es bleibt die Hoffnung, dass es sich ändern möge. Gute, kulturhistorisch relevante und vor allem auch verständliche Bearbeitungen von Skelett- und Leichenbrandfunden werden dazu sicherlich ihren Beitrag liefern. (PC)
"Die Osteoarchäologie ist ein naturwissenschaftliches Fach, das im Rahmen der Archäologie im weiteren Sinne ausgeübt wird. Sie ist deshalb in ihren Veröffentlichungen weitgehend von den Archäologen abhängig. Die Archäologen übernehmen als Ausgräber und Leiter archäologischer Projekte, für die sie naturwissenschaftliche Hilfe in Anspruch nehmen, die Verantwortung für den Abdruck der naturwissenschaftlichen Beiträge ... Bedauerlicherweise nehmen die schwarzen Schafe unter den Archäologen - von den weißen ist nicht die Rede - diese Verantwortung aber offenbar nicht ernst. Wenn doch Gewissenszweifel aufkommen, beruhigt die Auffassung: Wird das Knochenfundgut eines Grabungsunternehmens osteoarchäologisch untersucht, bringt das Ergebnis als Materialvorlage eine zeitlose Dokumentation, die kaum veraltet. Man darf die Befunde zunächst einmal ablegen, selbst verwenden, und, wenn die archäologischen Belange abgedeckt sind, wird man sie möglichst im Rahmen anderer naturwissenschaftlicher Hilfsuntersuchungen schließlich auch veröffentlichen. Dieses hier einmal als conditio sine qua non unterstellte Flämmchen einer guten Absicht ist allerdings stark windgefährdet und erlischt nur allzu leicht. Die Jahre vergehen. Der Osteoarchäologe erlahmt seinerseits in seinen Mahnungen, er fügt sich in sein Schicksal und gerade als er aufgegeben hat, trifft ihn der Überraschung: Er wird aufgefordert, seinen Beitrag zu überarbeiten . . . Nur der geduldigste Osteoarchäologe ist bereit, diese Überarbeitung so umfassend durchzuführen. dass kein Flickwerk entsteht. Aber auch er ist selbstverständlich verärgert über diese Einstellung seinem Fach und seiner Mitarbeit gegenüber. Die Überraschung kann natürlich auch anderer Art sein: Der Beitrag wird nach 10-20 Jahren doch noch gedruckt! Dem Autor bleibt ein Pyrrhus-Sieg. Er hat sein Ziel erreicht, aber die Informationen sind weitgehend wertlos geworden. Niemand braucht die Befunde mehr. So makaber es klingen mag, die Probleme können sich auch einfacher lösen: Der Verfasser stirbt... "
BOESSNECK , J. 1985: Besprechung von Nobis, G. (ed.): Der Beginn der Haustierhaltung in der "Alten Welt". - Germania 63: 605-612.